Menu

Bild und Vidoe siehe:  http://www.malawisee-aquaristik.de/malawisee

 

Wissenschaftlicher Beitrag

Der Malawisee [1]

Als der Missionar David Livingstone auf einer seiner vielen Expeditionen durch Afrika (in der Nähe von Mangochi) auf den Malawi-See stieß, fragte er die Eingeborenen nach dem Namen dieses beeindruckenden Gewässers. Der befragte Fischer sagte zu ihm „Nyassa“, weshalb Livingstone es Nyassa-See nannte, ohne zu wissen, dass das Wort Nyassa selbst „See“ bedeutet. Der malawi-See, wie es heute heißt, ist für die Malawier von großer Bedeutung. Mehrere zehntausend Tonnen Fisch werden jedes Jahr aus dem See gefangen. Fisch, in der Hauptsache Utakas (Haplochromine Cichliden), Chambo (Tilapiine Cichliden), Welche und Usipa (Seesardinen) bereichern das tägliche, aus einer Art Maismehl zubereitete Msima-Mahl der Anwohner des Sees.

Der See, übrigens der neuntgrößte der Welt, ist etwa 600 km lang und an manchen Stellen bis zu 80 km breit. Er erreicht eine Tiefe von maximal 700 m und seine Oberfläche liegt 472 m über dem Meeresspiegel. Der See bedeckt eine Region von 31.000 qkm und grenzt an drei Länder an. Der größte Teil des Sees gehört zu Malawi (der westliche und südliche Teil), die nordöstliche Region zu Tansania und ein relativ großer Streifen an der Ostküste unterliegen der Verwaltung von Mozambique. Zwei wichtige Inseln, Likoma und Chizumulu, liegen im mozambiquischen Teil des Sees, gehören aber zu Malawi.

Die tropische Lage des Sees verhindert, dass das Oberflächenwasser kälter wird als die tieferen Schichten. Deshalb findet keine extensive, vertikale Wasserzirkulation statt. Nur die oberen 200 Meter der Wassersäule enthalten ausreichend Sauerstoff, um außer für die anaeroben Mikroorganismen, die vorwiegend die tieferen, sauerstoffarmen (und etwas kälteren) Schichten bevölkern, auch noch für andere Organismen Leben zu ermöglichen. Der Südostwind (Mwera) während der Trockenzeit (Juni bis August) bewirkt eine Umwälzung der kälteren Schichten in den südlichsten Regionen des Sees, wobei die Oberflächentemperatur dort auf 20 °C absinkt. In der Regenzeit (November bis April) kann die Temperatur in geschützten Buchten auf über 30 °C ansteigen. Die durchschnittliche Oberflächentemperatur reicht jedoch von 23 bis 28 °C. Die chemische Zusammensetzung des Wassers ist überall im See recht einheitlich. Der pH-Wert, das Maß für den Säuregrad, schwankt zwischen 7,8 und 8,5. Der Unterschied zwischen beiden Werten rührt in der Hauptsache vom unterschiedlichen Kohlendioxid-Gehalt des Wassers her. In der Brandung ist der Gasaustausch optimal und deshalb wird dort der pH-Wert höher sein als in geschützten Buchten oder in tieferen Schichten. Die Leitfähigkeit, ein Maß für den Mineralgehalt, reicht von 200 bis 260 micro-Siemens, und ist damit im Vergleich zu anderen Grabenseen relativ niedrig.

Im Zusammenhang mit den jahreszeitlichen Schwankungen in der Temperatur und den Niederschlägen ändert sich die Sichtweite im Wasser drastisch von einem Meter an einem heißen Tag im Dezember auf mehr als 20 m an einem windstillen Tag im September. Gegenden mit einem felsigen Untergrund haben klareres Wasser als Gebiete mit Schlammboden, jedoch bewirkt das Algenwachstum die größte Wassertrübung. Der meiste Niederschlag im Jahr fällt in der warmen Regenzeit. Deshalb kann der Wasserspiegel im Mai bis zwei Meter höher liegen als im November. Der einzige Ausfluss ist der Shire-Fluss an der Südspitze des Sees. Neben den jährlichen Schwankungen hat sich der Wasserspiegel über längere Zeit hinweg sichtlich verändert. Seit August 1980, zur Zeit, als der See seinen höchsten, bisher verzeichneten Stand erreicht hatte, fiel der Wasserspiegel in einem relativ kurzen Zeitraum (bis August 1988) um mehrere Meter!

Seit der Existenz des Sees sank der Wasserspiegel mehrmals drastisch. Eine Untersuchung neueren Datums (Scholz & Rosendahl, 1988) erbrachte Anzeichen dafür, dass der Malawi-See vor einigen 25.000 Jahren viel kleiner war. Damals hatte er seinen Niedrigststand erreicht, etwa 400 Meter tiefer als heute! Dieser niedrige Wasserstand hielt lange genug an, um Spuren einer Paläo-Küstenlinie zu hinterlassen, die man mit Hilfe von Echolot-Messungen über den ganzen See hinweg nachweisen konnte. Auf der Skizze (Ad Konings 1989, S. 17) , die aus dem Originalartikel entnommen wurde, sehen wir, dass der Paläo-See noch ein zusammenhängendes Gewässer war und nicht in verschiedene Seebecken unterteilt, wie im Vergleich dazu beim Tanganjika-See. Seit jener Zeit stieg der Wasserspiegel des Malawi-Sees an und mit ihm auch das Sediment auf dem Grund. Man fand heraus, dass sich während der letzten 25.000 Jahre eine Sedimentschicht von etwa 400 Metern Dicke angesammelt hat. Die gesamte Sedimentschicht hat heute eine Dicke von vier Kilometern, ein Anzeichen dafür, dass der Malawi-See viel älter ist als die früher angenommenen ein oder zwei Millionen Jahre (Banister & Clarke, 1980). Die letzten Schätzungen liegen zwischen 3 und 20 Millionen Jahren. Die Vermessungen von Scholz & Rosendahl (1988) zeigten auch, dass die niedrigen Wasserstände durch ein trockenes, heißes Klima verursacht wurden. Solche Klimaschwankungen kamen mehrmals vor, was ebenfalls aus den Untersuchungen der Sedimentschicht hervorging. Das bedeutet, dass mehr als einmal drastische Schwankungen im Wasserspiegel stattfanden, was sich ganz sicher in der Artbildung der Cichliden, die den Paläo-See bewohnten, widerspiegelte. In diesem Buch werden mehr als 430 Arten erwähnt, die allein von der West- und Südküste (etwa 50 % des Sees) bekannt sind. Man schätzt, dass mindestens 200 andere Arten von der größtenteils noch unerforschten Ostküste ihrer wissenschaftlichen Beschreibung harren. Die 600 und mehr heute vorkommenden Arten sind wahrscheinlich nur ein relativ kleiner Teil der Arten, die einmal im See vorkamen.

Die Küstenlinie des Sees besteht aus drei Haupttypen. Ein Drittel der Küste besteht aus Felsen mit einem in der Regel steilen Abhang; die anderen zwei Drittel bestehen hauptsächlich aus Sandstränden. Den dritten Typ trifft man an Flussmündungen an. Er besteht aus sumpfigen Regionen, die mit Schilfrohr bewachsen sind. Der Wechsel von sanft abfallenden, sandigen oder sumpfigen Streifen mit steilen Felsküsten war und ist ein wichtiger Faktor bei der Artbildung der Cichliden. Die Westküste z.B. besitzt einen langen Sandstreifen, der deutlich die ortstreuen, felsenbewohnenden Cichliden auf beiden Seiten voneinander trennt. Diese große Lücke im Biotop der felsenbewohnenden Cichliden spiegelt sich in der völlig verschiedenen Zusammensetzung der Arten auf beiden Seiten der Sandküste wider.

 

[1] Ad Konings: Malawicichliden in ihrem natürlichen Lebensraum. Raket B.V., Pijnacker, Holland 1989. S. 13ff.